KLEBEN, SCHMÜCKEN, ZAHLEN

Papierprodukte und ihre Geschichte

[Cortissimo] Inspiration

23.05.2019

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© LauferNeo

Zahllose Produkte aus Papier begleiten uns durch den Alltag — als klebende Erinnerungshilfen, leichtgewichtige Schutzobjekte, kopiersichere Tauschware oder dekorativer Wandschmuck. Cortissimo wirft einen kurzen Blick auf die Geschichten hinter den berühmten Papierprodukten.

Das kleine Gelbe

Egal, ob To-do-Liste am Computermonitor, Lesezeichen im Buch oder kleiner Liebesgruß am Kühlschrank — Post-its, also kleine Klebezettel, die auf glatten Oberflächen haften und sich wieder ablösen lassen, stehen in der Liste nützlicher Alltagsgegenstände aus Papier ganz oben. Dass es so gekommen ist, verdanken wir (wie so oft) dem glücklichen Zufall und einem amerikanischen Wissenschaftler. 1968 entwickelte der für das Unternehmen 3M arbeitende Spencer Silver — eigentlich auf der Suche nach einem neuen „Superklebstoff“ — einen Klebstoff, der dank seiner einzigartigen Molekularstruktur zwar sicher auf Oberflächen haftete, sich aber auch leicht wieder lösen ließ. Ein praktischer Verwendungszweck für seine Erfindung fand sich aber erst 1974 in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Art Fry. Diesem fiel auf die Nerven, dass die Zettel, mit denen er im Gesangsbuch die Lieder für den sonntäglichen Gottesdienst markierte, immer wieder herausfielen. Fry erinnerte sich an Silvers Erfindung, und mit Unterstützung ihres Arbeitgebers brachten die beiden 1980 das Post-it auf den Markt. Heute, nach Ablauf der Patente, spricht auch vom „Post-it“, wer Haftnotizen anderer Hersteller meint. Die Etablierung als sogenanntes „Marken-Deonym“ (wie „Tempo“ fürs Papiertaschentuch) — der Ritterschlag für jedes Produkt.

Wegwerfprodukt zum Sammeln

Aus den Obstkisten moderner Supermärkte sind sie (so gut wie) verschwunden, als Sammelobjekte und grafische Zeitzeugnisse bleiben sie erhalten: die dünnen, bunt bedruckten Orangenpapiere, in welche die namensgebende Frucht eingewickelt war, um sie vor Transportschäden und Fäulnis zu schützen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kam die reif geerntete Orange mittels Eisenbahn und Dampfschiff von Südeuropa nach Deutschland — einzeln von Hand in Holzkisten verpackt. Durch die Erfindung des Holzschliffs war Papier günstig geworden und konnte daher in einfachen Massenverwendungen eingesetzt werden. Anfangs als reines Schutzprodukt ohne grafische Gestaltung gedacht, wurde das Orangenpapier durch die Erfindung des Mehrfarb- und später des Offsetdrucks zur idealen Werbefläche: Zuerst druckten die Erzeuger nur ihre Namen oder kurze Werbesprüche auf das Papier, dann aber schmückten sie es mit vielfältigen kunterbunten Abbildungen: Märchen- und Sagenfiguren, Politiker- und Sportlerporträts, technische Errungenschaften, Comicfiguren und vieles mehr. Durch die veränderten Produktionsbedingungen der Frucht wird das Orangenpapier mittlerweile nicht mehr für den Transport benötigt. Das als Wegwerfprodukt konzipierte Objekt hat aber aufgrund seiner Motivvielfalt und langen Geschichte viele Liebhaber gefunden, die das feine Papier glattbügeln, in Alben sammeln und untereinander tauschen.

Raschelnder Tausendsassa

Sie ist eigentlich immer zu groß, verdeckt am Frühstückstisch die Sicht auf den Partner und kommt beim Umblättern in der U-Bahn den Mitfahrern ins Gehege — dafür raschelt sie aber auch herrlich und vermittelt schon an den Fingerspitzen ein wohliges Gefühl von Wissen und Information: die Zeitung. Gedruckt — natürlich — auf Zeitungsdruckpapier, diesem ungemein vielseitigen Stoff, der sich nach der Lektüre des „Holzmediums“ als Basis für Pappmaché, zum Ausstopfen von Schuhen, zum Fensterputzen und sogar zum filmreifen Verfertigen von Erpresserbriefen verwenden lässt. Das Papier, auf dem heute noch die meisten Tages- und Wochenzeitungen produziert werden, besteht hauptsächlich aus 100 Prozent Recyclingfasern. Aufgrund seiner geringen Wetterbeständigkeit hält es sich nur 10 bis 50 Jahre, bevor es brüchig wird und zerfällt, und sich in der freien Natur sogar in Rekordzeit zersetzt — doch seine geringen Kosten und guten Druckeigenschaften machen dieses „Detail“, das eigentlich ein ökologischer Vorteil ist, wieder wett. Schon mal überlegt, warum Zeitungspapier, obwohl es so dünn ist, beim Lesen nicht umknickt? Das liegt am Lignin: Der in Bäumen enthaltene Stoff wird aus den meisten Druckpapieren chemisch herausgelöst, da durch ihn das Papier vergilbt. Im Zeitungspapier bleibt das Lignin allerdings erhalten, da es dem Material Fest- und Zähigkeit verleiht und außerdem dafür sorgt, dass die Zeitung beidseitig bedruckt werden kann, ohne dass die Rückseite stark durchscheint. Zeitungsdruckpapier: ein Produkt mit starker Geschichte, das in Zeiten neuer Print-Wertschätzung eine Renaissance in unterschiedlichen Anwendungen erlebt.

Geliebt, gehasst, gestrichen

Die Raufasertapete ist fürwahr ein deutscher Papierklassiker (und für manche Menschen ein ästhetisches Unding). Die dreischichtige Papiertapete, seit Jahrzehnten fester Bestandteil deutscher Wohnkultur, zeichnet sich durch die eingearbeiteten Holzfasern aus, die dem Produkt die namensgebende ungleichmäßige, körnig-raue Oberfläche verleihen. Die Idee für das robuste Produkt hatte der gelernte Apotheker Hugo Erfurt, der von seinem Vater eine Papierfabrik geerbt hatte, 1864 in Wuppertal. Ursprünglich als „Papier zur Schaufenstergestaltung“ und „Basispapier für Leimdrucktapeten“ entwickelt, fand die „Erfurt-Raufaser“ seit den 1920er Jahren rasche Verbreitung in zahllosen deutschen (und englischen) Wohnräumen — für die einen ist sie daher ein Inbegriff bürgerlicher Spießigkeit, andere hingegen schätzen ihre haptischen und ästhetischen Eigenschaften. Vermutlich wird sie auch noch im Jahr 2119 Räume ausschmücken.

Papierne Werte

Auch wenn neben dem Zahlen mit EC- oder Kreditkarte mittlerweile sogar das kontaktlose Bezahlen mit dem Smartphone möglich ist — die Deutschen lieben ihr Bargeld. Laut einer Umfrage der Deutschen Bundesbank wünschen sich 88 Prozent, auch zukünftig mit Scheinen und Münzen zahlen zu können. Rund drei von vier Einkäufen wurden 2017 an der Ladenkasse bar bezahlt. Bis zu den 2002 in Umlauf gebrachten Euro-Scheinen war es ein weiter Weg. In China wurde erstmals um das Jahr 1000 herum Papiergeld statt Münzen verwendet, in Europa immerhin schon 1661: Die damals in Schweden in Umlauf gebrachten offiziellen Banknoten bestanden aus Baumrinde, Hanf und Stoffresten. Ausgangsmaterial fürs Papiergeld sind heute Baumwollfasern, in jüngster Zeit kommt auch Kunststoff zum Einsatz, welcher die Haltbarkeit erhöht. Haptische, visuelle und akustische Sicherheitsmerkmale machen unseren Euro fälschungssicher: Wasserzeichen und Sicherheitsfaden sind sichtbar, Reliefs können ertastet werden, und dank des eingearbeiteten Kunststoffs erzeugen die Scheine sogar ein spezifisches Geräusch beim Knittern oder Falten. Unter UV-Licht werden fluoreszierende Fasern sichtbar, die bei der Papierherstellung integriert wurden. Der Geldschein — wahrlich ein wertvolles Papierprodukt.


Weitere Inspirationen

Der Druck auf der Zeitungsrolle bringt uns zudem den Vorteil, dass wir bis zum Vorabend des Andrucks aktuell an der Ausgabe arbeiten können.

Dr. Dieter Hilla, Bayer Aktiengesellschaft, Employee Communications/direkt/BNC